Bundeskanzlerin Merkel muss ihr Verhalten morgen vor Gericht persönlich erklären – alles andere wäre eine weitere Missachtung der Demokratie

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am 6. Februar 2020 während ihres Staatsbesuchs in Südafrika auf einer Pressekonferenz geäußert, dass die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten Thüringens ein unverzeihlicher Vorgang gewesen sei, weshalb dieses Ergebnis „wieder rückgängig gemacht“ werden müsse. Zudem äußerte sie, mit der AfD dürften „keine Mehrheiten gewonnen werden“.

Die AfD sieht durch diese Äußerungen der Kanzlerin die ihr als Verfassungsorgan obliegende Neutralitätspflicht verletzt und klagt deshalb vor dem Bundesverfassungsgericht. Weil Merkels Äußerung zudem auf der Website der Bundesregierung veröffentlicht wurde, klagt die AfD auch gegen diese. Morgen Vormittag findet die mündliche Verhandlung zu beiden Verfahren in Karlsruhe statt.

Stephan Brandner, stellvertretender Bundessprecher, erklärt dazu:

„Nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat ein Bundeskanzler öffentlich gefordert, dass die demokratische Wahl eines Ministerpräsidenten rückgängig gemacht werden müsse – aus gutem Grund. Denn unabhängig davon, ob einem Bundeskanzler der Ausgang einer Ministerpräsidentenwahl gefällt oder nicht, hat er sich nicht wertend dazu zu äußern – schon gar nicht in Form einer öffentlichen Aufforderung, die ihm missfallende Wahl rückgängig zu machen. Das gebietet allein schon die Neutralitätspflicht, die jedem Bundeskanzler als Verfassungsorgan obliegt.

Dass Kanzlerin Merkel dies dennoch getan hat, macht ihre demokratischen Defizite offensichtlich: Zum einen ist ihr diese Neutralitätspflicht entweder nicht bewusst oder egal; zum anderen dokumentiert sie mit ihrer Äußerung, dass sie nicht bereit ist, das Ergebnis demokratischer Wahlen zu akzeptieren, wenn ihr dieses nicht gefällt.

Und dass sie drei Wochen vor der mündlichen Verhandlung jene Verfassungsrichter zum gemeinsamen Abendessen im Kanzleramt eingeladen hatte, die die Organklage gegen sie morgen verhandeln und entscheiden, macht außerdem deutlich, dass der Kanzlerin offenbar auch jedes Empfinden für ein rechtsstaatliches Verfahren abgeht.

Vor diesem Hintergrund wäre ihr persönliches Erscheinen morgen vor dem Bundesverfassungsgericht doppelt geboten. Denn nur sie selbst kann und muss persönlich erklären, was sie zu ihren Äußerungen in Südafrika und zur Einladung der Verfassungsrichter getrieben hat. Alles andere wäre lediglich ein weiterer Ausdruck der Missachtung der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätze unseres Landes.“

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